Toxische Liebe

Heute möchte ich mit dir über toxische Liebe sprechen. Die meisten von uns kennen inzwischen den Begriff der toxischen Beziehung. Beziehungen, die auf Schuldzuweisungen und Streit gebaut sind, Liebe die weh tut. Man hat das Gefühl nie gut genug zu sein, ist abhängig von einander und kann nichts ohne den anderen unternehmen, am liebsten nicht mal den Wocheneinkauf ohne den geliebten Partner machen, man hat den selben Freundeskreis, wenn man überhaupt noch Freunde neben der Beziehung hat, und gibt sich den selben Hobbies hin, wenn überhaupt. Generell ist man immer an allem Schuld und die besten Gespräche hat man mit der besten Freundin, wenn beide mal so richtig schön über ihre miesen Beziehungen lästern können, aber dazu kommen wir an anderer Stelle. Das Klischee der toxischen Beziehung sollte jedoch jedem geläufig sein, und für alle, die es nicht kannten reicht glaube ich dieser kurze Einblick und man versteht grob um was es geht. Was also ist dann toxische Liebe? Ich denke die kürzeste Antwort die ich geben kann ist: Liebe die weh tut. Liebe die von einem Schmerz getrübt ist. Und hier kommt die Langfassung beginnend mit einer kleinen Geschichte.
Es war einmal ein kleiner Junge, sein Vater trank zu viel und das machte ihm das Leben hart. Er musste sich früh um seine Brüder kümmern, denn er war der älteste in der Runde von 5 Jungs. Die Mutter gab ihr bestes, doch mit einem Job, einem Mann der mehr Probleme machte als er löste und 5 kleinen Jungs war es nicht immer einfach. So musste der kleine Junge früh Verantwortung lernen. In der Schule war er nicht besonders gut. Er hatte oft den Kopf voll, und niemand sagte ihm, dass er seine Hausaufgaben machen sollte oder lernen sollte, und selbst wenn er es versuchte, es war niemand da der ihm half. Eines Tages merkte der Junge, dass, wenn er etwas erreichen will, er sich selbst in den Arsch treten musste. Er begann zu lernen, so schaffte er es, in den letzten Jahren der Hauptschule noch so die Kurve zu kratzen, dass er danach sein Abitur machte und studieren ging. Auch das baute er sich alles selbst auf. Irgendwann war aus dem Jungen ein Mann geworden, ein Mann der nun eine kleine Tochter hatte. Für die er natürlich nur das Beste wollte. Und als er sich fragte, wie er sie erziehen wolle, beschloss er schnell, dass sie alles von ihm bekommen sollte, was ihm damals fehlte. 
Und hier kommt die Geschichte von der anderen Seite. 
Es war einmal ein kleines Mädchen, ihr Vater war sehr streng. Er legte viel Wert auf gute Noten, wollte immer, dass sie Sport macht und vielleicht ein Instrument lernt. Die Mutter sah das etwas lockerer, und irgendwann ließen sie sich scheiden. Das Mädchen war nun bei der Mutter, und an manchen Wochenenden bei ihrem Vater. Sie hatte im neuen Umfeld kaum Freunde und verlor den Spaß an Musik und Sport. Sie versuchte ein paar Dinge, denn ihrem Vater war es wichtig, und sie wollte ihn nicht enttäuschen, doch sie gab schnell auf. Ab da war es ein Leben in 2 Welten, einer in der man viel durfte, und einer, an den Wochenenden, in der man viel musste. Wo Hausaufgaben wichtiger waren und man auch dann lernte, wenn keine Tests anstanden. Das kleine Mädchen wollte es ihrem Vater recht machen, seinen Anforderungen genügen, doch sie hatte immer das Gefühl es war nicht genug. Sie müsste mehr leisten. Und sie verstand garnicht warum. War sie nicht gut genug? Was bestimmte den Wert eines Menschen? Das Aussehen vielleicht? Bis zur Pubertät hatten sich so viele Zweifel gesammelt, dass Sie vor lauter Komplexen nicht mehr sehen konnte, wer sie wirklich war. Sie wusste nur, dass sie eben nicht genug war. 
Die obere Geschichte ist die von meinem Vater, die untere ist ein kleiner Teil von meiner eigenen. Ich habe irgendwann gelernt, was meinem Vater passiert ist, und dass er versucht hat es besser zu machen. Es gibt ein wunderschönes deutsches Wort dafür. Etwas zu verschlimmbessern. Ich habe als Kind und Teenager oft gedacht, er hätte mich nicht lieb, wenn meine Noten schlechter waren, wenn ich kein Abi machte oder nicht studieren will. Wenn ich ihm die Wahrheit über mein Leben sagen würde, dass mir lernen und Noten nicht so wichtig waren. Es hat mir oft den Spaß an der Schule genommen, wenn ich mit einer gewissen Erwartung an mich selbst dran gegangen bin. Lernen sollte Spaß machen. Mein Vater hat mir auf seine Art seine Liebe gezeigt. Er hat mir all das geben wollen, was er nicht bekommen hatte, aber dabei habe ich als Kind nicht unbedingt bekommen, was ich gebraucht hätte, sondern was er gebraucht hätte. Oder was er dachte, was er gebraucht hätte. Das ist toxische Liebe. Liebe die weh tut. Da ich jetzt verstehe, dass er alles nur aus Liebe gemacht hat, habe ich den Schmerz in mir loslassen können, weil ich weiß, dass es nicht meiner war. Es war sein Schmerz, aus seiner Kindheit. Und vermutlich reicht das ganze noch ein paar Generationen zurück. Ich glaube zum Beispiel auch nicht, dass mein Opa ein schlechter Mensch war, auch wenn ich ihn wegen seiner Alkoholsucht nie kennengelernt habe. Ich denke, kein Mensch ist von Grund auf schlecht. 
Die Freundin meines Vaters war da ganz ähnlich. Sie und ich verstehen uns nicht besonders gut. Ihre Abneigung mir gegenüber hat sich schon in den verschiedensten Verhaltensweisen gezeigt, und die meisten davon haben mich ganz schön getroffen. Eine lange weile meines kurzen Lebens dachte ich, sie sei böse, und es gäbe einfach einige schlechte oder vielleicht auch nur unfassbar dumme Menschen auf der Welt. An letztem mag vielleicht sogar was dran sein, aber ich halte sie heute weder für böse, noch für dumm. Ich halte sie für unweise. Aber keinesfalls für dumm. Aber das steht hier eigentlich auch garnicht zur Debatte. Wir hatten viele Auseinandersetzungen, und in einer davon fiel mal der Satz, dass ich ihr meinen Vater weg nehmen würde. Die Jahre davor hies es oft, ich würde die Familie kaputt machen, und ich verstand meist nicht, was sie von mir wollte, wir waren immerhin keine Familie. Sie war die Frau, die jetzt mit meinem Vater zusammen war, aber nicht meine Mutter, und ich hatte als trotziger kleiner Teenager auch gar keine Lust auf eine wildfremde die mir sagt was ich zu tun und zu lassen habe, besonders nicht in einem Tonfall, den nicht mal meine Mutter drauf hatte. Als sie aber sagte, ich würde ihr meinen Vater wegnehmen, da verstand ich auch worum es ihr all die Jahre gegangen war. Ich hatte mir vorher schon eine Weile gedacht, dass sie bestenfalls eine Therapie bräuchte, oder einfach arm dran war, ich hatte gewissermaßen Mitleid mit ihr, doch wusste noch nicht konkret warum. Als ich aber verstand, dass sie so voller Schmerz und Angst war, solche Panik davor hatte einsam zu sein, dass sie mich als Bedrohung sah, als Frau die ihr ihren Mann weg nehmen könnte, nicht  als Mensch, nicht als Tochter ihres Freundes, sondern als Feind, als Bedrohung, als Problem, da wurde mir auch klar, warum sie mich all die Jahre so behandelt hatte. Ich verstand dass sie weder böse war, noch dumm, sie war voller Angst. Und ehrlich, ich mag sie immer noch nicht, ich muss auch keinen Kaffee mit ihr trinken, aber das liegt in erster Linie daran, dass sie mich immer noch als Problem sieht, und immer noch in ihrem Schmerz gefangen ist, ich von meiner Seite aus, wünsche ihr Besserung, Verständnis und Glück und Liebe. Denn das braucht es ganz sicher um ihre Wunden zu heilen. Und auch das sind unausgesprochene Worte, die sich zwischen uns bewegen. Sie möchte sagen „Ich habe Angst, ich bin allein, ich möchte nicht verletzt werden.“ und ich wollte damals wohl sagen „Ich fühle mich falsch, ich bin verletzt, wenn du mir das Gefühl gibst, dass ich alles falsch mache.“ und aus all diesen Worten, die keiner sagen konnte, und die zugegebener Maßen der Freundin meines Vaters noch nicht einmal bewusst geworden sind, weil sie so sehr im Schmerz–Denken gefangen ist, dass sie es nicht mal mehr erkennt, all diese Dinge die keiner gesagt hat, standen zwischen uns, bis ich sie verstanden habe. Jetzt stehen sie nur noch zwischen ihr und .. nun… ihr. 
Aber genug Geschichten. Zurück zum Thema. Was ist denn nun toxische Liebe? Weißt du, oft haben Menschen Leid erfahren, und daraus entstehen Mechanismen, Verhaltensweisen, sie helfen sollen den Schmerz zu mildern. Mal überkompensiert man Dinge, mal rutscht man in einen Schutzmechanismus und fühlt sich von allem angegriffen, vielleicht greift man aus dieser Angst heraus andere Menschen an, und man meint es gar nicht böse, man versucht nur, mit den eigenen Problemen fertig zu werden. Man versucht es richtig zu machen. Toxische Liebe ist Liebe die zwar aus dem Herzen kommt, aber die getrübt ist von Schmerz und Angst. Von Leid und Traumata. Es ist trotzdem Liebe. Und es ist wichtig das zu wissen. Denn viele Menschen, denen so etwas, schlimmeres oder einfach ähnliches widerfahren ist, denken, sie sind nie geliebt worden. Doch sie wurden bestimmt geliebt, nur war die Liebe kaputt. Manchmal ist die Liebe in der Familie schon seit vielen Generationen kaputt. Und das beste was wir nun damit machen können, wir als die Generation die es tatsächlich anders machen kann, ist das zu heilen was da passiert ist. Zu vergeben. Das heißt nicht, dass du dich nicht von dieser Art von Liebe distanzieren kannst oder sogar solltest. Aber wenn du dir bewusst machst, dass es kein Hass war, der dich verletzt hat, sondern der Schmerz eines anderen, dann kannst du damit anders umgehen. Wenn du selbst darauf achtest, nicht auch solche Muster zu entwickeln, dann kannst du den Kreislauf brechen und wirklich Lieben. Mit Liebe die Wunden heilt statt welche zuzufügen. Ich glaube Liebe ist deshalb so eine starke Waffe, weil sie immer das Herz trifft. Ich glaube deshalb wird Liebe schnell mit Hass verwechselt, und deshalb liegen diese beiden Dinge so nah bei einander. Weil Liebe die Weh tut, oft als Hass abgetan wird. Liebe sollte ja nicht weh tun, doch dabei vergessen wir oft die Geschichte ganz zu lesen, die Dinge im größeren Kontext zu betrachten, weil wir Menschen dazu tendieren Dinge zu übersehen, wenn wir uns persönlich angegriffen fühlen. Dann verteidigen wir uns auch, machen unser Herz zu und rutschen in das selbe Muster. Das Muster von Liebe die Weh tut. 
Also, um mal zu einem Ende zu kommen. Mach das nicht. Projiziere deinen Schmerz nicht auf andere. Lass deine Liebe nicht trüb sein. Räum auf in deinem Herz. Öffne deine Augen für den Schmerz für anderen und lerne, zu vergeben, wenn Dinge, die aus Liebe geschehen sind dir geschadet haben. Vergib Menschen die aus Schmerz gehandelt haben. Mach es besser. Buddah sagte mal „Hass hört niemals durch Hass auf. Hass hört durch Liebe auf.“ Wenn wir Hass mit Schmerz assoziieren, dann hört es nur dann auf, wenn wir die Wunden heilen. Wenn wir den Schmerz anderer nicht zu unserem machen, wenn wir vergeben und lieben. 
Und ehrlich, wenn du jetzt denkst, dass sich das dumm anhört, dann ist das okay, vor ein paar Jahren hätte ich mich selbst für solche Aussagen ausgelacht. Heute weiß ich, dass ich immer geliebt wurde. Dass ich immer gut genug bin. Und das man vergeben kann. Es braucht nur Zeit und Verständnis. Mach den ersten Schritt.